Wenn Sie sich ein gebrauchtes Motorrad kaufen wollen, spielen Emotionen oft eine große Rolle. Damit die bei der Besichtigung nicht die objektiven Tatsachen in den Hintergrund drängen, hilft es eine Checkliste zur Hand zu haben, was Sie an der Maschine prüfen sollten.
Das sollten Sie zur Besichtigung des Motorrads mitnehmen
Schraubenzieher
Taschenlampe
Lappen
Arbeitshandschuh
einen fachkundigen Begleiter zum Helfen und als objektiven Beobachter
Papiere und Grundsätzliches prüfen
Stimmen die Fahrzeugnummer mit der Nummer überein, die in den Fahrzeugpapieren steht? Die Nummer ist meistens am Rahmen rechts unterhalb des Lenkers eingeschlagen.
Passen der äußere Zustand bei Sitzbank, Lack und Chromteilen zu der angeblichen Kilometerleistung?
Hat der Verkäufer für alle nachträglich angebauten Teile wie Auspuff, Verkleidungen oder Blinker einen Eintrag in den Fahrzeugpapieren, eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) oder eine schriftliche Freigabe des Herstellers vorzuweisen?
Sind alle Schlüssel da (jeweils mindestens 2) und funktionieren Zündschloss, Lenkradschloss oder Helmverschluß?
Ist das Bordwerkzeug vorhanden? Meistens ist darin der Zündkerzenschlüssel das wertvollste Stück, weil er in der Regel eine Sonderanfertigung ist für die Einbausituation der Kerzen am jeweiligen Motor darstellt.
Weist der Rahmen Verformungen oder untypische Schweißnähte auf? Das deutet auf einen Unfallschaden hin. Bei teuren Maschinen lohnt sich eventuell eine Vermessung des Rahmens, die hier Klarheit bringen kann. Widerspricht der Verkäufer einer solchen Untersuchung, ist das ein Zeichen, dass eine versprochene Unfallfreiheit nicht zutrifft und sie sollten lieber ein anderes Motorrad kaufen.
Gabel und Bremsen
Bringen Sie das Vorderrad in die Luft. Bei einem Motorrad ohne Hauptständer muss dazu ein Helfer die Maschine leicht über den Seitenständer nach hintern kippen. Bewegen Sie den Lenker ganz von links nach rechts. Dies muss durchgehend leichtgängig und ohne Geräusche ablaufen.
Wenn Sie vorne bremsen und den Lenker vor und zurück bewegen, darf es im Lenkkopflager nicht klackern.
Wenn leicht möglich, schieben Sie die Gummimanschetten an der Vordergabel hoch und überprüfen die Übergangsstelle von Tauchrohr und Standrohr auf austretendes Öl. Ist diese Stelle feucht, dann sind die Gabelsimmeringe undicht und sollten getauscht werden.
Versuchen Sie, den Zustand der Bremsbeläge zu prüfen. Die meisten Scheibenbremsen erlauben die direkte Sicht auf die Bremsbeläge oder haben am Bremssattel ein durch Gummistopfen abgedecktes Guckloch. Wenn Sie hier mit der Taschenlampe hineinleuchten, sehen Sie die Bremsbeläge. Die der Scheibe zugewandte Schicht ist der Belag selbst, die andere der Metallträger. Ein neuer Belag hat rund 5 mm Stärke. Bei etwa einem Millimeter sollte man die Beläge austauschen.
Die Scheiben sollten keine starken Rillen aufweisen. Je weiter ein Steg am äusseren Ring zu sehen ist, umso mehr sind die Scheiben abgenützt. Neue Scheiben sind ganz plan.
Bei Trommelbremsen ist oft außen eine Verschleißanzeige angebracht. Dabei zeigt ein Pfeil auf einer Skala zwischen „neu“ und „am Ende“ den aktuellen Zustand an, wenn Sie die Bremse bis zum Druckpunkt betätigen.
Bremsen Sie mit der Vorderbremse und lassen die Gabel einfedern. Gibt es dabei andere Geräusche als das leise „schhhht“ des dämpfenden Öls, ist hier ein Defekt zu vermuten.
Räder und Reifen
Bei Speichenrädern fahren Sie am Innenrand der Felgen mit einem Schraubenzieher oder anderem metallischen Instrument über die Speichen. Es muss dabei ein gleichhohes „Kling“ ertönen. Sind die Tonhöhen stark unterschiedlich, müssen Sie die Felgen nachspannen, was nur ein wenig Zeitaufwand bedeutet.
Schlimmer ist, wenn Sie dabei eine gebrochene Speiche feststellen. Dann ist mindestens der Einbau einer neuen Speiche fällig (Rad ausbauen, Reifen demontieren) oder sogar der aufwändige komplette Ersatz der Speichen, wenn es keine einzelnen Ersatzspeichen gibt.
Prüfen Sie die Profilstärke der Reifen und vergleichen Sie die montierten Größen mit den Eintragungen in den Fahrzeugpapieren. Fehlen diese, muss der Verkäufer Ihnen eine spezifische Freigabe durch den Reifenhersteller geben. Denn ansonsten wird das bei Ihrer nächste Hauptuntersuchung beim TÜV zum Durchfallen führen.
Bei einem Kettenantrieb prüfen Sie, ob Kette und Kettenräder in Ordnung sind. Bei einem Zahnriemenantrieb können Sie den Riemen auf Beschädigungen, abgenutzte Flanken und eventuell eingeschlossene Steinchen prüfen.
Motor und Fahrprüfung
Die meisten Motorräder haben ein Schauglas für den Stand des Motoröls. Hat das Bike angeblich vor kurzem einen Ölwechsel erhalten, solle das Öl noch nicht schwarz sein, sondern wie Honig aussehen.
Prüfen Sie mit der Hand vorsichtig, wie warm der Zylinderkopf ist. Spüren Sie Restwärme, fragen Sie den Verkäufer nach dem Grund. Oft haben Motorräder Probleme bei wirklich kaltem Motor und die Verkäufer verschleiern das, durch Warmlaufenlassen kurz vor dem geplanten Besichtigungstermin.
Prüfen Sie das Anlassverhalten des Motors. Kommt gleich eine bläuliche Wolke aus dem Auspuff, sind die Kolbenringe nicht mehr in Ordnung. Lassen Sie den Motor ein wenig im Leerlauf tuckern und achten auf ungewöhnliche Geräusche. Eventuell kennen Sie das Laufgeräusch eines vergleichbaren Typs und können die beiden vergleichen.
Hören Sie den Auspuff im ganzen Verlauf ab, ob austretendes Abgas auf ein Loch hindeutet. Verschließen Sie die Austrittsöffnung, sollte der Motor ausgehen. Falls nicht, weist das auf eine undichte Stelle hin.
Fahren Sie mit dem Motorrad Probe, prüfen Sie die Maschine auf gleichmäßige Beschleunigung. Es sollte als kein „Loch“ zu spüren sein. Gehen Sie abrupt vom Gas, darf es zu keiner Fehlzündung kommen.
Ist die Bremswirkung vorne und hinten ausreichend? Gibt es dabei seltsame Geräusche?
Funktionieren Licht, Hupe und Blinker?
Passt die gefühlte Motorkraft zur angegebenen Leistung? Mit diesem Rechner können Sie zwischen PS und kW umrechnen.
Zum Schluss: Ziehen Sie ein Fazit
Am besten notieren Sie alle gefundenen Schwachstellen. Versuchen Sie abzuschätzen, was jede sofort notwendige oder demnächst anfallende Reparaturen kosten wird.
Wenn Sie alles aufsummieren, haben Sie eine Summe im Kopf. Den vom Verkäufer veranschlagten Kaufpreis hatten Sie ja sicher für ein mängelfreies Fahrzeug gerechnet. Entweder bessert der Verkäufer auf eigene Rechnung alle Schwachstellen nach oder er geht im Preis entsprechend herunter. Ansonsten sollten Sie ein anderes Motorrad kaufen.